Einsätze

Juni-Hochwasser 2024

Die vorläufige Bilanz eines Jahrhundertereignisses und sicher einer der größten Einsätze in der jüngeren Geschichte unserer Feuerwehr. Mit der Aufhebung des Katastrophenfalls durch das Landratsamt heute um 9 Uhr, ist zumindest für uns als Feuerwehr ein vorläufiges Ende markiert, sodass nun ein erster Rückblick möglich wird.

Dass uns im Stadtgebiet ein außergewöhnliches Hochwasser bevorsteht, war bereits gegen Mittag des Freitag 31. Mai abzusehen, der Dauerregen hielt ohne Unterbrechung seit Mittwoch an und machte sich in den Flusspegeln bemerkbar. Wir verstärkten nachmittags vorsorglich das „Wilde Wehr“ am Abzweig der Brühlmindel mit Sandsäcken und im Bauhof wurde die Sandsackfüllstraße in Betrieb genommen. Gegen Mitternacht erreichte die Mindel bereits Meldestufe 2, größere Ausuferungen waren aber noch nicht festzustellen.

Im Lauf des Samstags wurden dann bereits erste Deiche am Tennisplatz und nördlich der Angerwiesen errichtet, da der Mindelpegel kontinuierlich stieg. Zahlreiche Feuerwehren v.a. aus den Holzwinkeln unterstützten am Bauhof beim Sandsackfüllen. Nachdem bereits am Vormittag die Meldestufe 3 erreicht war und Kammel und Mindel an einigen Stellen das reguläre Flussbett verlassen hatten, wurden diese Sandsäcke auch immer stärker nachgefragt. Die Befüllung und Logistik kam dem großen Bedarf am Nachmittag/Abend kaum noch hinterher, zur Unterstützung erreichte uns gegen Mitternacht ein Kontingent aus Würzburg mit einer Sandsackfüllmaschine. Bereits drei Stunden vorher überschritt die Mindel den Pegel von 4,90m und damit die statistische Höhe eines 100-jährigen Hochwassers (HQ100). Einziger Lichtblick war zu diesem Zeitpunkt, dass der fast viertägige Dauerregen endlich vorüber war. Unsere Maßnahmen konzentrierten sich hauptsächlich auf den Dammbau, die Logistik von Sandsäcken und die Sicherung wichtiger Bauwerke und Trafostationen.

In der Nacht zum Sonntag ereignete sich dann der schwere Bootsunfall in Offingen, zu dem auch unser ELW gerufen wurde. Da mittlerweile auch das Feuerwehrhaus in Offingen überflutet war, blieb dieser den ganzen Tag über als Ansprechpartner und Einsatzleitung vor Ort. Aufgrund des weiter steigenden Mindelpegels waren die Aufgaben am Sonntag den 2. Juni ähnlich zum Vortag, zeigten aber zunehmend immer weniger Wirkung, da von Stunde zu Stunde immer mehr Sandsackbarrieren und künstlich aufgebaute Deiche überspült wurden. Gegen Abend standen bereits erste Straßenzüge in der Heimstätten-Siedlung, die Haldenwanger und Industriestraße sowie die Wohngebiete links und rechts der Dillinger Straße unter Wasser. Da immer mehr Trafostationen und Hausanschlüsse vom Wasser überspült wurden, kam es zu Stromausfällen oder kontrollierten Stromabschaltungen durch die LEW. Weil die Panzersicherungen in einigen Privathaushalten weiterhin am Netz waren, „kochte“ in einigen Keller aufgrund des Stromflusses bereits das Wasser und führte zu starker Wasserdampfbildung, was wiederum bei uns zu einigen Einsätzen im Stadtgebiet und in Offingen mit dem Stichwort „Rauchentwicklung im Gebäude“ führte. Wir konnten bei diesen Einsätzen meist schnell Entwarnung geben und einen Gebäudebrand ausschließen und veranlassten, falls noch möglich, eine Stromabschaltung. Dennoch wurde durch diese Einsätze jedes Mal Personal gebunden, das an anderer Stelle bereits dringend benötigt war. Auch war das Ausrücken im Stadtgebiet und überland nicht mehr so einfach, da bereits zahlreiche Straßen überflutet waren.

Der Platzregen am späten Nachmittag verschärfte die Pegelsituation noch einmal. Gegen Sonntagabend waren dann weite Teile der „Unterstadt“ überflutet, der Erlenbach hatte sich flächig mit der Mindel vereinigt. In Absprache mit der Stadt Burgau wurden die Bewohner in den betroffenen Gebieten aufgefordert, sich über Nacht in höher gelegene Stockwerke zu begeben oder im Rahmen einer Evakuierung ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Hierzu hatten wir mittlerweile Unterstützung von drei Sanitäts-Unimogs der Bundeswehr und von einer Wasserrettungseinheit aus dem Kreis Sigmaringen erhalten. Die Evakuierten wurden zwischenzeitlich in der Mittelschule betreut und dann weiter nach Günzburg verlegt. Der städtische Bauhof musste aufgrund des Pegelstands ebenfalls aufgegeben werden und stand unter Wasser. Die Kammel hatte im Laufe des Sonntags einen Höchststand erreicht, was insbesondere in Unterknöringen und Großanhausen zu starken Überflutungen führte. Hier mussten Stallungen mit Milchvieh evakuiert werden. Zusätzlich zum Hochwassergeschehen wurden wir als „First Responder“-Einheit zu zwei dringenden medizinischen Notfällen gerufen, da der Rettungsdienst im Landkreis ebenfalls stark gefordert war und die Anfahrt aufgrund der überfluteten Straßen sehr schwierig und langwierig war. Auch unser Feuerwehrhaus konnte nur knapp gehalten werden: die Ein- und Ausfahrten zur Haldenwanger Straße waren zwar mit einem Sandsackwall gesichert, dennoch war der Hof bereits überflutet und das Wasser war etwa drei Meter von den Hallentoren entfernt. Wir öffneten eine Notausfahrt über das Gelände der Wäscherei Maier, die im Laufe der Nacht jedoch auch nur noch mit LKW passierbar war.

In den frühen Morgenstunden des folgenden Montags (03. Juni) erreichte die Mindel ihren Höchststand etwa einen Meter über dem berechneten HQ100-Pegel. Burgau war zu diesem Zeitpunkt nur noch von Westen über die ehemalige B10 und die Unterknöringer Kammelbrücke sicher zu erreichen. Unsere Maßnahmen konzentrierten sich zu diesem Zeitpunkt nur mehr auf den Bereich Menschenrettung. Nach Überschreitung des Höchststands fiel der Mindelpegel im Lauf des Montags leider nur leicht ab, da zwischenzeitlich auch die Donau über die Ufer getreten war und das Wasser der Mindel nicht mehr abfließen konnte. Offingen bekam diesen Effekt noch stärker zu spüren als wir in Burgau. Im Laufe des Tages begann dann die Werkfeuerwehr des KKW Gundremmingen mit ihrer HydroSub-Anlage den Pegel in den Gebieten östlich der Dillinger Straße durch gezieltes Abpumpen am Tiefpunkt (Nähe Reifen Müller) zu senken. Dies wurde die ganze Nacht fortgesetzt.

Erst im Lauf des Dienstags (04. Juni) konnte allmählich mit dem Abpumpen in weiter Mindel-abgewandten Gebieten gestartet werden, wenngleich noch immer einige Straßen nicht passierbar waren und der enorm hohe Grundwasserstand die ausgepumpten Keller und Tiefgaragen sofort wieder füllte. Hierbei erhielten wir auch Unterstützung von einigen Einheiten des THW und von der Feuerwehr Erlangen, die für uns die Wachbereitschaft im Feuerwehrhaus für zeitkritische Einsätze übernahm.

Ab Mittwoch 05. Juni waren bis auf einzelne Ausnahmen wieder alle Straßen befahrbar und die Mindel soweit zurück in ihrem Bett, dass der Oberflächenabfluss über das Kanalsystem wieder funktionierte und die Pumpaktionen deutlich mehr Erfolg versprachen. Die Feuerwehr Erlangen unterstützte uns nun genauso beim Abpumpen wie die Kameraden aus dem sächsischen Oschatz, die mit Material und Personal angereist waren (die Burgauer Firma ROMA unterhält in Oschatz eine Zweigstelle). Die Unterstützung von externen Kräften wurde im Lauf der Woche immer wichtiger, da sich bei uns der seit Samstag ohne große Schlafpausen andauernde Einsatz langsam aber sicher an den Kräften bemerkbar machte. In Zusammenarbeit mit der Stadt Burgau wurde im Laufe des Tages mit der Räumung des Sperrmülls aus den betroffenen Siedlungen begonnen. Hierbei engagierten sich neben zahlreichen freiwilligen Helfern auch lokale Burgauer Firmen und Landwirte mit ihren Fahrzeugen. Auch die Bundeswehr unterstützte mit mehreren LKW und Personal die Räumung. Am Mittwochmorgen wurden wir außerdem noch von der FF Jettingen angefordert, um mit der Drehleiter bei der Bergung einer seit Sonntag vermissten Person aus der Mindel zu helfen.

Der Donnerstag 6. Juni gestaltete sich ähnlich wie der Vortag und war geprägt von zahlreichen laufenden Pumpen im gesamten Stadtgebiet. Wir wurden vom THW aus Krumbach und von den Feuerwehren aus Ober- und Unterknöringen und Konzenberg unterstützt. Immer häufiger traten nun beim Abpumpen der Keller Probleme mit ausgelaufenem Heizöl zu Tage: dieses kann aufgrund der Explosionsgefahr nur mit Spezialgerät abgepumpt werden und darf auch nicht einfach in die Kanalisation. Nachdem vormittags bereits unerlaubter Weise privat Öl in die Brühlmindel eingeleitet wurde (inkl. darauf folgenden Einsatz mit Kanaldichtkissen durch uns und mit Ölschlängel und Ölsperre durch die FF Günzburg und FF Ettenbeuren), erreichte uns am Donnerstagabend ein Vorauskommando der Feuerwehrinspektion des Lkr. Cham in der Oberpfalz, um die Lage im Bereich Burgau zu erkunden. Außerdem kam es in einem Nebengebäude am Bahnhof in Jettingen am späten Nachmittag zu einem Brand, zu dem wir mit Drehleiter, Tanklöschfahrzeug und Einsatzleitwagen gerufen wurden. Da der Brand letztlich im Keller lokalisiert wurde, blieben wir in Bereitstellung für die FF Jettingen und mussten nicht mit eingreifen.

Der Freitag und Samstag stand ganz im Zeichen von Ölwehr und Sperrmüllentsorgung: das Kontingent aus dem Landkreis Cham machte sich selbstständig an die Arbeit und arbeitete Stück für Stück einen vom Heizöl betroffenen Keller nach dem anderen ab. Die zahlreichen privaten Helfer leerten die Straßen und Gehsteige in den verschiedenen von uns zugeordneten Einsatzabschnitten. Wie auch bei allen anderen Arbeiten lagen Koordination und Leitung wieder bei unserem Krisenstab bestehend aus Feuerwehr und Stadtverwaltung, unterstützt durch die Einsatzzentrale.

Der Sonntag 09. Juni war eigentlich zum Durchschnaufen für alle Beteiligten und Helfer gedacht – bei uns hielt die Ruhe leider nur bis zum Nachmittag: Die automatische Brandmeldeanlage (BMA) im Burgauer Schloss hatte ausgelöst und uns wieder in den Einsatz gerufen. Der vor Ort festgestellte Schmorgeruch konnte jedoch schnell lokalisiert werden: eine stark überhitzte Halogenlampe im Keller hatte Schmutzpartikel, die sich angesammelt hatten, entzündet. Wir belüfteten die Räumlichkeiten und trennten die Stromzufuhr und wollten nach Rückkehr ins Gerätehaus gerade wieder unsere Einsatzkleidung ablegen, als die Leitstelle den nächsten Alarm für uns bereithielt. Wieder hatte eine BMA ausgelöst, dieses Mal bei einem Betrieb im Gewerbegebiet Südost. Hier wurden mit dem Dampfstrahler Hochwasserrückstände gesäubert und dadurch fälschlicherweise die Anlage ausgelöst, sodass wir schnell wieder abrücken konnten. Um kurz vor Mitternacht ereilte uns dann noch unser übliches Einsatzszenario, von dem wir glücklicherweise in den Tagen davor verschont geblieben waren: ein Verkehrsunfall auf der A8 zwischen einem PKW und einem LKW.

Am Montag und Dienstag 10. und 11 Juni wurde weiterhin der in den Straßen stehende Sperrmüll und Schrott entsorgt, wir unterstützten wie in den Tagen zuvor auch mit unserem Wechsellader und der AB Mulde. Nach über einer Woche fast pausenlosem Einsatz musste aber auch Material und Gerätehaus wieder auf Vordermann gebracht werden, um die Einsatzbereitschaft wiederherzustellen. Wir kümmerten uns nebenzu um die Reinigung und Instandsetzung der Gerätschaften bzw. Fahrzeuge und befassten uns mit der Reparatur einiger Stromaggregate und Pumpen, die das Hochwasser nicht schadlos überstanden hatten. Gegen Dienstagabend konnten wir dann nach 12 langen Tagen ein vorläufiges Einsatzende für die Feuerwehr Burgau verbuchen.

Nicht vergessen werden darf dabei, dass knapp die Hälfte unserer Einsatzkräfte selbst direkt oder indirekt vom Hochwasser betroffen waren. Die Kameraden waren mit der Rettung der eigenen vier Wände beschäftigt und fehlten uns wiederum als Einsatzkraft (wenngleich auch manche von ihnen es schafften, beides gleichzeitig zu stemmen). Zusätzlich zu den beschriebenen Einsätzen im Stadtgebiet Burgau waren wir überdies hinaus auch als Abschnittsführungsstelle vom 31.05-08.06. bei allen (nicht zeitkritischen) Unwettereinsätzen im Inspektionsbereich Burgau von Offingen bis Burtenbach mit eingebunden. Wir übernahmen für diese Einsätze die Funktion der Leitstelle und alarmierten bzw. koordinierten die zuständigen Feuerwehren und übernahmen den Kontakt zur „Führungsgruppe Katastrophenschutz“ (FüGK) im Landratsamt Günzburg. Nicht vergessen werden dürfen auch die über 200 weiteren Einsatzstellen im Stadtgebiet, wie einbrechende Stützmauern, brennende E-Fahrzeuge auf überfluteten Straßen, im Fahrzeug eingeschlossene Personen, statische Probleme an Tiefgaragen uvm., die uns Tag für Tag zusätzlich auf Trab hielten und kaum ein Durchatmen ermöglichten.

Am Ende dieser eineinhalb Wochen bleibt bei uns neben einer ordentlichen Portion Schlafmangel auch ein Stück weit Fassungslosigkeit über die Gewalt der Natur, Mitgefühl mit allen, die in irgendeiner Form durch das Hochwasser zu Schaden gekommen sind, aber auch Dankbarkeit und ein bisschen Freude über die wirklich großartige Unterstützung, die wir von den Kameraden aus ganz Deutschland, von Burgauer Bürgerinnen und Bürgern und von zahlreichen Burgauer Firmen und Betrieben erfahren durften!

Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr!

Die Freiwillige Feuerwehr Burgau